Überblick

Hypotonie im Kindesalter kann sekundär zu Störungen auftreten, die einen beliebigen Punkt des zentralen und/oder peripheren motorischen Nervensystems betreffen. Zentrale Hypotonie bedeutet eine Lokalisation oberhalb der Ebene des unteren Motoneurons. Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie ist die vorherrschende Ätiologie für kongenitale Hypotonie, aber die Differentialdiagnose ist breit gefächert und umfasst über 500 identifizierte genetische Störungen. Ein logisches, schrittweises Vorgehen bei der Diagnose ist unerlässlich. Für die meisten dieser Entitäten gibt es keine Heilung, und die Prognose ist unterschiedlich. Die Behandlung ist individuell und kann unterstützende Therapien (z. B. Physio- und Ergotherapie oder symptomatische Behandlung) oder diagnosespezifisches Management umfassen.

Schlüsselpunkte

– Hypotonie ist eine verminderte Spannung oder Widerstandsfähigkeit des passiven Bewegungsumfangs und kann mit unterschiedlichem Schwächegrad auftreten.

– Der erste Schritt bei der Beurteilung eines Kindes mit Hypotonie ist die Lokalisierung auf das zentrale oder periphere Nervensystem (oder beides).

– Eine zentrale Hypotonie wird eher axial mit normaler Kraft und hyperaktiven bis normalen tiefen Sehnenreflexen festgestellt.

– Zu den weiteren Merkmalen, die bei zentraler Hypotonie häufig auftreten, gehören dysmorphe Gesichtszüge, Makro- oder Mikrozephalie, Entwicklungsverzögerungen (global, motorisch, sprachlich oder kognitiv), Krampfanfälle, Fehlbildungen anderer Organe, veränderte Bewusstseinslage, abnorme Augenbewegungen, abnormale Atemmuster oder andere Anzeichen einer Dysfunktion des zentralen Nervensystems.

– Anamnese und körperliche Untersuchung liefern entscheidende diagnostische Anhaltspunkte, obwohl auch bildgebende Verfahren, genetische Tests und andere Laboruntersuchungen wichtige Bestandteile der Beurteilung sind.

Historische Anmerkung und Terminologie

Die Literatur seit den 1960er Jahren beschreibt zerebrale Einflüsse auf den Entwicklungstonus und die motorische Kontrolle. Die Monographie von Victor Dubowitz in den späten 1960er Jahren mit dem Titel „The Floppy Infant“ (Das schlaffe Kind) lieferte einen praktischen Ansatz zur Diagnose und Klassifizierung von Kindern mit Hypotonie (Dubowitz 1969). Er betonte 2 Hauptfragen, wenn man mit einem schlaffen Baby oder Kind konfrontiert wird:

(1) „Ist dies ein gelähmtes Kind mit zufälliger Hypotonie?“ und

(2) „Ist dies ein hypotones Kind ohne signifikante Muskelschwäche?“

Seine Kategorisierung der Lähmungszustände von Kindern mit Hypotonie und Schwäche mit „zufälliger“ Hypotonie ergab, dass es sich am häufigsten um Erkrankungen der unteren Motoneuronen handelte: proximale spinale Muskelatrophien, kongenitale Myopathien und andere neuromuskuläre Störungen. Zu den Säuglingen mit nichtparalytischen Erkrankungen, die eine Hypotonie ohne signifikante Schwäche aufwiesen, gehörten Störungen des zentralen Nervensystems, Bindegewebserkrankungen, Stoffwechsel-, Ernährungs- und endokrine Störungen, akute Erkrankungen und essenzielle (oder gutartige) Hypotonie. Diese Unterteilung, zentrale versus periphere Hypotonie, ist nach wie vor klinisch nützlich und stellt den Ausgangspunkt für moderne diagnostische Algorithmen dar (Lisi und Cohn 2011).

Heute kann die neonatale zentrale Hypotonie als Teil eines breiteren Spektrums der neonatalen Enzephalopathie oder „verändertes Verhalten beim Neugeborenen, das für eine Störung der zentralnervösen Funktion charakteristisch ist“, angesehen werden (Inder und Volpe 2018). Die meisten neonatalen Hypotonien werden auf eine perinatale hypoxisch-ischämische Enzephalopathie zurückgeführt (Darras und Volpe 2018), obwohl die übrigen Fälle weiterhin ein breites Spektrum von Störungen darstellen. Immer ausgefeiltere genetische, biochemische und bildgebende Studien ermöglichen in diesen Fällen immer spezifischere ätiologische Diagnosen (Prasad und Prasad 2011; Sparks 2015; Ahmed et al. 2016).

Sobald die Ätiologie und der klinische Verlauf einer Person klar sind, können im Laufe der Zeit zusätzliche funktionelle (und nicht ätiologische) diagnostische Bezeichnungen verwendet werden. Bei Personen mit anhaltenden Bewegungs- oder Haltungsstörungen, die auf eine frühe, nicht progrediente Verletzung oder Fehlbildung des sich entwickelnden Gehirns zurückzuführen sind, wird die Diagnose Zerebralparese gestellt. Bewegungsstörungen bei Zerebralparese werden typischerweise als spastisch, dyskinetisch, ataktisch/hypotonisch oder gemischt klassifiziert; persistierende zentrale Hypotonie (insbesondere axial) ist bei dyskinetischen, ataktisch/hypotonischen und gemischten Subtypen häufig. Bei Personen mit geringeren motorischen Beeinträchtigungen kann die Diagnose einer Entwicklungskoordinationsstörung (DSM-V) oder einer spezifischen Entwicklungsstörung der Motorik (ICD-9) gestellt werden. Es fehlen bevölkerungsbezogene prognostische Daten, und es ist unklar, wann historische Bezeichnungen wie „benigne kongenitale Hypotonie“ sicher angewendet werden können.