Leslie Russek PT, DPT, PhD, OCS und Jane Simmonds Prof. D, MA, MCSP, MMACP, SFHEA

Einführung

Physikalische Therapie/Physiotherapie ist der Schlüssel zur Behandlung des Syndroms der Gelenkhypermobilität/Hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom (JHS/hEDS). Viele Ärzte (einschließlich Physiotherapeuten) wissen jedoch nicht, wie diese Erkrankung diagnostiziert wird, welche Anzeichen und Symptome häufig auftreten und wie die besten Behandlungsmethoden aussehen. Dieses Dokument fasst zusammen, was über die physiotherapeutischen Ansätze bekannt ist, die durch die derzeit beste Qualitätsforschung und Expertenmeinungen am besten unterstützt werden.

Generalisierte Gelenkhypermobilität (GJH) wird mit einer Reihe von neun Tests, dem so genannten Beighton-Score, gemessen, aber der genaue Grenzwert, ab dem eine Person als hypermobil gilt, ist seit mehreren Jahrzehnten umstritten. Die diagnostischen Kriterien für JHS/hEDS, zu denen auch der Beighton-Score gehört, werden in einem Begleitartikel vorgestellt (siehe die Zusammenfassung von Malfait, et al. 2017).

Das Erscheinungsbild von JHS/hEDS bei Kindern und Erwachsenen ist ziemlich ähnlich. Schmerzen sind das häufigste Problem und treten aufgrund von Gelenkinstabilität, Überlastung der muskuloskelettalen Strukturen (Muskeln, Sehnen, Bänder, Gelenke) oder abnormalen Bewegungsmustern auf; die Schmerzen können lokalisiert oder weit verbreitet sein. Menschen mit JHS/hEDS scheinen auch überempfindlich auf schmerzhafte Reize zu reagieren, d. h. sie empfinden mehr Schmerzen als nicht-hypermobile Personen als Reaktion auf den gleichen Input; dies kann darauf zurückzuführen sein, dass ihr empfindliches zentrales Nervensystem Schmerzen anders verarbeitet.

Menschen mit JHS/hEDS haben eine geringere Toleranz gegenüber körperlicher Betätigung, zum Teil weil körperliche Betätigung häufig zu verstärkten Schmerzen führt. Die Betroffenen sind daher weniger aktiv und haben infolgedessen eine geringere Kraft und aerobe Fitness. Hypermobilität bei Kindern kann sich auch als „Floppy Infant“-Syndrom äußern. Sowohl Kinder als auch Erwachsene mit JHS/HEDS sind tendenziell weniger koordiniert, haben eine geringere Körperwahrnehmung und ein schlechteres Gleichgewicht und geben an, sich ungeschickt zu fühlen und häufiger zu stürzen als gesunde Personen. Bei Kindern kann eine verminderte grobmotorische Kontrolle zu Entwicklungsverzögerungen führen, unter anderem zu einem späteren Erlernen des Gehens. In ähnlicher Weise kann eine verminderte Feinmotorik zu Schwierigkeiten beim Schreiben führen.

Schmerzen sind nicht die einzige Ursache für Beschwerden bei JHS/hEDS. Auch Müdigkeit ist häufig und behindert manchmal mehr als die Schmerzen. Psychische Symptome wie Depressionen, Angstzustände und Panikstörungen sind ebenfalls häufig. Probleme mit dem autonomen Nervensystem („Kampf oder Flucht“) können zu niedrigem Blutdruck oder zu einer übermäßig schnellen Herzfrequenz führen. Zu den gastrointestinalen Problemen gehören Verstopfung oder Durchfall, Reflux und Bauchschmerzen. Harninkontinenz ist sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen häufig. Die Haut neigt dazu, übermäßig dehnbar zu sein, ist anfälliger für Blutergüsse und heilt langsamer.

Die Kombination aus Schmerzen, Müdigkeit, schlechter Koordination und anderen systemischen Symptomen kann letztendlich dazu führen, dass die Fähigkeit, normale tägliche Aufgaben zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit zu erledigen, eingeschränkt ist. Dies wiederum kann bei Menschen mit JHS/HEDS zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität, des Selbstbildes und der sozialen Funktion führen.

Beurteilungs- und Behandlungsgrundsätze

Es ist wichtig, dass Physiotherapeuten eine gründliche Erstbeurteilung durchführen, um andere schwerwiegendere Bindegewebserkrankungen auszuschließen, bei denen hypermobile Gelenke vorhanden sein können, wie z. B. Osteogenesis imperfecta („Glasknochenkrankheit“), Marfan, Loeys-Dietz oder andere Formen des Ehlers-Danlos-Syndroms. Besteht der Verdacht auf eine dieser anderen Erkrankungen, sollte eine Überweisung an einen Rheumatologen erfolgen. Eine Überweisung an einen geeigneten Spezialisten sollte auch dann erfolgen, wenn Multisystemprobleme wie Herzrasen, niedriger Blutdruck, Magen-Darm- und Blasenprobleme das Leben einer Person erheblich beeinträchtigen. Weitere Informationen zu diesen Problemen bei Personen mit JHS/HEDS finden Sie in anderen Leitliniendokumenten. Physiotherapie ist bei diesen anderen Problemen oft hilfreich, insbesondere bei der Kontrolle des Blutdrucks und des Herzrhythmus.

Physiotherapeuten sollten Menschen mit JHS/HEDS darüber aufklären, wie sie ihre Gelenke schützen und die Symptome in den Griff bekommen. Bewegung ist der Eckpfeiler der Behandlung, und es gibt mehrere hochwertige Forschungsstudien sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, die den Beweis dafür liefern. Obwohl sich die bisherige Forschung hauptsächlich auf Kniestärkung, Körperwahrnehmung und Gleichgewichtstraining konzentriert hat, haben andere Studien gezeigt, dass auch Übungen zur Rumpfstabilität und Ausdauer wirksam zur Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung sind. Interessanterweise haben Untersuchungen bei Kindern mit Knieschmerzen und JHS/ hEDS ergeben, dass die Eltern über eine Verbesserung der psychologischen und sozialen Funktion, einschließlich des Selbstwertgefühls, berichteten, wenn die Kinder ihren gesamten Bewegungsbereich, einschließlich des hypermobilen Bereichs, trainierten, im Vergleich zu Kindern, die nur den „normalen“ Bereich trainierten. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Kombination von Bildung und Bewegung mit kognitiven Verhaltensansätzen (wie Menschen über Schmerzen oder Funktionseinschränkungen denken) besonders wirksam sein kann, um Schmerzen zu lindern und Behinderungen bei Jugendlichen und Erwachsenen zu verringern.

Einige Klinikexperten empfehlen manuelle Therapie (eine Vielzahl praktischer Techniken), Taping zur Unterstützung oder Feedback zur Körperwahrnehmung, Übungen im Schwimmbad und Entspannungstechniken, um die Symptome zu lindern. Die Wirksamkeit dieser Behandlungen für Menschen mit JHS/HEDS ist jedoch nicht durch Forschungsergebnisse belegt. Experten empfehlen außerdem, dass die Behandlung individuell gestaltet werden und sich auf das Erlernen der Bewegungskontrolle konzentrieren sollte. Die kardiovaskulären und muskelstärkenden Übungen sollten auf der Grundlage der Richtlinien des American College of Sports Medicine sorgfältig vermittelt und abgestuft werden, um ein Aufflammen der Symptome zu vermeiden. Befragungen der Eltern von Kindern, die an einer Forschungsstudie zur Behandlung teilnahmen, ergaben, dass die Kinder ihre Übungen besser durchhielten, wenn sie von den Eltern beaufsichtigt wurden und wenn sie Teil einer Familienaktivität wurden. Auch die Rückkehr zum Sport und zu den darstellenden Künsten nach einer Verletzung oder Krankheit sollte behutsam erfolgen, um eine erneute Verletzung zu vermeiden.

Die klinischen Leitlinien empfehlen, dass Kinder mit flexiblen Plattfüßen, Schmerzen oder Schwierigkeiten bei gewichtstragenden Aktivitäten Orthesen verwenden und/oder vernünftiges Schuhwerk tragen sollten. Vernünftiges Schuhwerk bedeutet, dass Schuhe und Sandalen bequem und stützend sein sollten, insbesondere im Bereich der Fersenschale, und dass die Schuhsohlen gut gepolstert sein sollten. Vorläufige Ergebnisse einer kleinen Forschungsstudie deuten darauf hin, dass die Verwendung von Orthesen die Gehmechanik von Kindern mit GJH und Entwicklungskoordinationsproblemen verbessern kann.

Schienen und Zahnspangen werden manchmal von Menschen verwendet, um ihre Gelenke zu schützen, und können nach einem Aufflackern der Symptome und während der frühen Rehabilitation hilfreich sein. Derzeit gibt es nur wenige Forschungsergebnisse, die den langfristigen Einsatz von Schienen für Hände und Handgelenke unterstützen. Mobilitätshilfen wie Gehstöcke, Krücken oder Rollstühle sollten nach sorgfältiger Absprache mit dem multidisziplinären Team und nach Aufklärung über ihre Verwendung mit Bedacht verordnet werden. Menschen mit JHS/HEDS sollten einen übermäßigen Gebrauch dieser Mobilitätshilfen vermeiden, da das Ziel der Rehabilitation darin besteht, durch Bewegung und Lebensstilentscheidungen so unabhängig wie möglich zu werden.

Es ist noch viel mehr Forschung nötig, um Physiotherapeuten dabei zu helfen, die wirksamsten Behandlungsarten zu bestimmen. Auch eine bessere Ausbildung von Physiotherapeuten im Umgang mit JHS/hEDS wird dazu beitragen, dass für Menschen mit dieser Erkrankung die modernsten Pflegeprogramme angeboten werden.

Originalquellen

Engelbert RHH, Juul-Kristensen B, Pacey V, De Vandele I, Smeenk S, Woinarosky N, Sabo S, Scheper MC, Russek L, Simmonds JV. Die evidenzbasierte Begründung für die physiotherapeutische Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, bei denen ein Syndrom der Gelenkhypermobilität/hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom diagnostiziert wurde. Am J Med Genet C Semin Med Genet. 2017;175(1):158-167. doi: 10.1002/ajmg.c.31545 http://bit.ly/2EN6heU

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