Bislang wurden Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp auf Heparine sehr selten veröffentlicht. In der Literatur fanden wir 9 dokumentierte Fälle von Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp auf Heparine (Tab.3). Leider wurde nur in 5 dieser Fälle eine ausreichende allergologische Abklärung durchgeführt, die auf eine IgE-vermittelte allergische Überempfindlichkeit hindeutet.
Die allergologische Abklärung von Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp auf Heparine beruht auf Hautprick- und intradermalen Heparintests mit Messwerten nach 15 bis 20 Minuten. Die Spezifität von Heparin-Hauttests scheint hoch zu sein, wenn eindeutig nicht reizende Heparinkonzentrationen verwendet wurden, während die Empfindlichkeit dieses Testverfahrens weitgehend unbekannt ist. Im Allgemeinen erhöhen niedrigere Heparinkonzentrationen (d. h. höhere Verdünnungen) die Spezifität, können aber die Empfindlichkeit des Tests verringern. Daher wird empfohlen, als erste Screening-Konzentration für Heparin-Überempfindlichkeit die unverdünnten therapeutischen Heparin-Lösungen für Prick-Tests bzw. eine 1:10-Verdünnung für Intrakutantests zu verwenden.
Bei diesem Ansatz, d. h. unverdünnte therapeutische Heparin-Konzentrationen für Prick-Tests und eine 1:10-Verdünnung für Intrakutantests, können in bis zu 10 % der Fälle Test-Sofortreaktionen beobachtet werden. Diese Reaktionen sollten nicht naiv als Beweis für eine IgE-vermittelte Allergie gewertet werden, da sie durch eine unspezifische Heparin-induzierte Histaminfreisetzung verursacht werden könnten. Diese falsch-positiven Reaktionen müssen von extrem seltenen allergischen Reaktionen vom Soforttyp durch umfangreichere Hauttests unter Verwendung einer weiteren Reihe von Verdünnungen (1:100, 1:1.000, 1:10.000) unterschieden werden. Bei echten allergischen Reaktionen sollten diese niedrigeren Konzentrationen immer noch positive Ergebnisse liefern.
Der vorgestellte Patient zeigte positive Pricktestergebnisse bis zu einer Verdünnung von 1:10.000 von Enoxaparin, was auf eine IgE-vermittelte Allergie hinweist. Das für den Hauttest verwendete Enoxaparin-Präparat bestand aus Enoxaparin und Aqua ohne weitere Zusatzstoffe. Darüber hinaus schloss die beobachtete Kreuzreaktivität bei einer Reihe von Heparinpräparaten verschiedener Hersteller eine kausale Rolle von Verunreinigungen oder Konservierungsmitteln aus, die einigen Produkten zugesetzt wurden, wie Natriummetabisulfit, Benzylalkohol oder Chlorocresol. Die BAT wurde als ergänzende Methode für die In-vitro-Diagnose von Heparinallergien vorgeschlagen. Bislang konnten die Ergebnisse dieser Autoren jedoch nicht durch weitere veröffentlichte Daten bestätigt werden. Außerdem ist es uns und anderen Gruppen mit Erfahrung auf dem Gebiet der Heparinallergie wiederholt nicht gelungen, eine Heparin-Sensibilisierung durch BAT nachzuweisen.
Harr et al. diagnostizierten eine IgE-vermittelte Allergie gegen s.c. injiziertes Dalteparin durch positive Hautprick- und Intrakutantests bei einem Patienten mit generalisierter Urtikaria, die von Übelkeit und leichter Dyspnoe begleitet war. Überraschenderweise wurde UFH in einem i.v.-Challenge-Test vertragen, wenn der Hauttest negativ war. Van Zuuren berichtete über einen Patienten mit lokalen urtikariellen Reaktionen an den Injektionsstellen von Nadroparin, gefolgt von generalisierter Urtikaria, Angioödem und Kollaps. Sie berichteten über eine Kreuzreaktivität mit dem im Hauttest negativen Enoxaparin, da sich bei einem subkutanen Provokationstest eine generalisierte Urtikaria entwickelte. Berkun und Kollegen berichteten über einen Patienten mit heparininduzierter rezidivierender Anaphylaxie während einer Hämodialyse mit Hypotonie und Bewusstseinsverlust, die durch einen positiven intradermalen Hauttest mit UFH und LMWHs bestätigt wurde. Eine Stunde nach einer Heparin-induzierten anaphylaktischen Episode wurde mittels Enzymimmunoassay ein erhöhter Serumtryptasewert gemessen, der sich innerhalb von 24 Stunden wieder normalisierte. In der Vergangenheit wurden allergische Anaphylaxien auf Heparinpräparate auf Proteinverunreinigungen tierischen Ursprungs während suboptimaler Produktionsprozesse zurückgeführt, insbesondere bei Heparinpräparaten aus Schweinedarm.
Nicht-allergische Heparin-assoziierte Anaphylaxien können durch direkte Histaminfreisetzung aus Mastzellen und Basophilen durch unspezifische Bindung von Verunreinigungen oder indirekt durch Komplement/Kinin-Aktivierung verursacht werden. Im Jahr 2008 konnten in einer Reihe von Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen übersulfatiertes Chondroitinsulfat und Dermatansulfat als Verunreinigungen von Heparin nachgewiesen werden. Übersulfatiertes Chondroitinsulfat aktiviert das Kallikrein-Kinin-System mit Bildung von Bradykinin und Aktivierung der potenten Anaphylatoxine C3a und C5a, die beide zu Anaphylaxie-Symptomen führen.
Bei therapeutischer Notwendigkeit einer sofortigen Antikoagulation bei unserem Patienten ist die strikte Vermeidung aller Heparine zwingend erforderlich. Alternativ könnte er Hirudine oder direkte Thrombininhibitoren erhalten, die beide eine völlig andere Molekularstruktur als die Heparin-Polysaccharide aufweisen. Argatroban als kompetitiver Thrombin-Inhibitor ist ein kleines Molekül mit einem Molekulargewicht von 500 kDa. Es wird als kontinuierliche i.v.-Infusion verabreicht, was zu einer Plasmahalbwertszeit von 45 Minuten führt, die anhand der Thromboplastinzeit überwacht werden kann. Dabigatran ist für die Behandlung und Vorbeugung von Thrombosen im Zusammenhang mit HIT und zur Antikoagulation bei perkutanen Koronarinterventionen zugelassen, wenn Heparin kontraindiziert ist. Dabigatran ist ein oral einzunehmender direkter Thrombininhibitor, der für die Prophylaxe von tiefen Venenthrombosen nach Hüft- und Kniegelenksprothesen zugelassen ist. Kürzlich wurde die Zulassung zur Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern erweitert.
Hier berichten wir über einen extrem seltenen Fall von Heparin-induzierter Anaphylaxie, die durch Hautpricktests bis zu beeindruckend hohen Heparinverdünnungen gesichert wurde. Außerdem wurde eine relativ breite Kreuzreaktivität zwischen den verfügbaren Polysaccharid-Antikoagulantien wie UFH, LMWH und Heparinoiden beobachtet. In einer solchen Situation sind neben Hirudinen die kürzlich zugelassenen direkten Thrombininhibitoren Argatroban oder Dagibatran aufgrund ihrer völlig anderen chemischen Struktur mögliche Alternativen.
Diese Publikation wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Universität Würzburg im Rahmen des Förderprogramms Open Access Publishing gefördert.
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